Liebe Leserin, lieber Leser,
Jesus hat Recht: Mein Herz hängt an meinen Schätzen, das ist doch selbstverständlich. Ich habe Frau, Kinder, Enkel, Verwandte. Was soll ich denn sonst machen als sie lieben? Das hätte sich Jesus wohl nicht gedacht, dass man sein Wort aus der Bergpredigt auch so verstehen könnte. Die Bedeutung 'das Liebste, Liebling' kam erst vor 500 Jahren im Deutschen und Niederländischen auf. Wir können diese Bedeutungsübertragung heute noch nachvollziehen. Wir sagen ja auch "mein Goldschatz" oder "du bist ein Goldstück, eine Perle, nicht mit Geld zu bezahlen."
So hat sich auch die religiöse Sprache dieses Wortes bedient. Zum Beispiel "Dein Sohn hat mich ihm selbst vertraut, er ist mein Schatz, ich seine Braut" (Wie schön leuchtet der Morgenstern, EG 70,5). Den Übergang vom Wertgegenstand zum Liebling finden wir in "(Gott) ist dein Schatz, dein Erb und Teil" (Ich singe dir mit Herz und Mund, EG 324,14).
Von himmlischen Schätzen hat ja schon Jesus gesprochen, der uns empfiehlt Schätze im Himmel zu sammeln und nicht auf der Erde, wo sie gestohlen werden oder verderben. Das zweite ist klar: Es gibt Wichtigeres als Geld und Kapitalanlagen. Aber was ist mit dem Schatz im Himmel gemeint? Da gibt es schon in den Evangelien mehrere Verständnishilfen:
- Gott lässt sich nicht lumpen. Die Jünger, die ihre Existenz aufgegeben haben, um Jesus nachzufolgen, finden eine neue Existenz in der Gemeinde und schließlich das ewige Leben (Matthäus 19,29).
- Spenden sind kein rausgeworfenes Geld. Das zeigt Jesus an einer haarsträubenden Geschichte: Da fliegt eine Unterschlagung auf und dem Verwalter wird's angst und bange. In seiner Not setzt er noch eins drauf und fälscht die Schuldscheine, damit die Schuldner nicht so viel zurückzahlen müssen. Der Verwalter hofft, sich damit Freunde zu machen. bei denen er unterkommen kann, wenn er gefeuert wird (Lukas 16,1-9). Er hätte dann selbst den Nutzen von seiner Gutmütigkeit. So können diejenigen, denen wir Gutes getan haben, für uns bei Gott ein gutes Wort einlegen, wenn für uns einmal der Tag der Abrechnung kommt. Ob sie das tun? Wir haben einen anderen, der für uns ein gutes Wort einlegt: Jesus selbst. (1. Johannes 2,1) Unser Schatz ist Er, nicht unsre Lorbeeren, auf denen wir uns einmal doch nicht ausruhen können, weil auch Lorbeeren verrotten.
- Der Schatz ist das Reich Gottes. Das macht uns Jesus klar mit den Gleichnissen vom Schatz und der Perle: Ein Pächter findet beim Pflügen eine vergrabene Schatzkiste und ein Kaufmann hat Gelegenheit, günstig eine besonders wertvolle Perle zu erwerben. Die versilbern doch alles, was sie haben, um in den Besitz von Schatz und Perle zu kommen. Das ist kein rausgeschmissenes Geld, sondern eine Investition, die sich lohnt (Markus 4,30-32).
Das Reich Gottes war für Jesus nichts Himmlisches, sondern etwas Irdisches: eine Welt, in der Gott etwas zu sagen hat. Ganz konkret: Die ersten Christen haben ihr Geld zusammengelegt und aus der gemeinsamen Kasse gelebt. Da bekam jeder, was er brauchte. Sie machten nur den Fehler, dass sie nicht von den Zinsen lebten, sondern auch vom Kapital. Auf einmal war nichts mehr da und sie waren auf Zuschüsse anderer Gemeinden angewiesen. Die späteren Klöster und die israelischen Kibbuzim waren gescheiter: Sie legten ihr Kapital zusammen, arbeiteten gemeinsam und lebten von den Erträgen. Das ist auch der Sinn von landwirtschaftlichen Genossenschaften, Versicherungen und Steuern: Wer hier investiert, hat am Ende den Nutzen. Selbstsucht und Habgier ist dumm. - Da im Sprachgebrauch Jesu "Himmel" eine Umschreibung für "Gott" ist, meint Jesus mit dem Schatz im Himmel einen Schatz bei Gott. Besser gesagt: Der Schatz ist Gott selbst.
Gottsucher gelten heute als weltfremde Spinner, die sich ein Leben lang abzappeln und doch nichts finden, weil es angeblich gar keinen Gott gibt. Jesus macht uns Mut: "Suchet, so werdet ihr finden". Ich habe vor langer Zeit einmal geträumt, ich hätte die Perle gefunden, für die der Kaufmann so viel Geld ausgab. Seitdem bin ich gewiss, dass ich Gott gefunden habe, schon lange vorher. In meinem Herzen. Dort müssen wir suchen.
Mit freundlichen Grüßen
Heinrich Tischner