Liebe Leserin, lieber Leser,
gemeinsames Essen stiftet Gemeinschaft. Das Grundmodell ist die Familie, die sich täglich um den Esstisch versammelt. Fremde können sich nicht einfach dazusetzen, sondern müssen sich einladen lassen. Durch die Einladung werden sie Gäste, vorübergehend in den Familienkreis aufgenommen. Aus Gästen können Freunde werden und Freundschaft erweist sich auch darin, dass man einander zum Essen einlädt.
Wir suchen uns unsere Gäste aber aus, möchten nicht jeden an unserm Tisch haben und laden nicht jeden ein. Essen verbindet nicht nur, sondern trennt auch. Dieselben Zweck haben Speisevorschriften. Sie dienen nicht der Gesundheit, sondern zur Abgrenzung. Ein Antialkoholiker lässt sich nicht zum Bier einladen, ein Vegetarier nicht zum Schlachtfest.
Jesus selbst hat nichts zu den jüdischen Speisegeboten gesagt und hat wohl selbst koscher, diesen Vorschriften gemäß, gegessen. Die entscheidende Wende kam erst, als sich Nichtjuden der christlichen Gemeinde anschlossen. Apostelgeschichte 10 erzählt, wie es dazu kam: Da erfährt Petrus in einer Vision: "Was Gott rein gemacht hat, das nenne du nicht verboten." Gott hat die trennenden Speisegebote aufgehoben.
Davon redet der Monatsspruch: Er geht noch einen Schritt weiter: Nicht nur, was Gott rein gemacht hat, sondern "alles, was Gott geschaffen hat, ist gut". Paulus beruft sich damit auf die Schöpfungsgeschichte: " Und Gott sah an alles, was er gemacht hatte, und siehe, es war sehr gut." (Genesis 1,31)
Aber Gott hat doch nicht nur gesunde Nahrungsmittel wie Karotten, Kartoffeln und Kabeljau geschaffen, sondern auch ungesunde und giftige. In Gottes Schöpfung wie in unserm Schicksal hat alles seinen Sinn und manches, was uns vielleicht nicht schmeckt, ist für andere gut. Und sogar das, was scheinbar zu gar nichts gut ist, hat seine Existenzberechtigung einfach dadurch, dass es Gott erschaffen hat.
"Alles, was Gott geschaffen hat, ist gut". Aber leider haben wir den Eindruck: Es gibt nichts, was in unsern Händen nicht ins Gegenteil verkehrt und missbraucht werden könnte. Ich habe erlebt, wie ein Konfirmand einem anderen die Bibel auf den Kopf gehauen hat. Dafür ist die Bibel nun wirklich nicht geschrieben worden. Aber man kann sie missbrauchen. Kartoffeln sind gesund, aber nicht, wenn man jeden Tag zwei Kilo davon isst. "Der Wein erfreut des Menschen Herz" (Psalm 104,15) und hat doch schon viele Menschen ruiniert.
Darum begnügt sich Paulus nicht nur damit, dass alles Geschaffene gut ist, sondern fährt fort: "und nichts ist verwerflich, was mit Danksagung empfangen wird; denn es wird geheiligt durch das Wort Gottes und Gebet." Durch das Tischgebet besinnen wir uns immer wieder neu darauf, dass wir von Gottes Güte leben. Und durch das Gebet wird unser Essen "geheiligt". Das kann uns vor einem unverantwortlichen Umgang mit unsern Lebensmitteln und ihrem Missbrauch bewahren.
Die Eucharistie (Danksagung, Abendmahl) ist ein Symbol dafür: Wir essen mit einem Dankgebet das Grundnahrungsmittel Brot und trinken das Luxusgetränk Wein. Schlemmen und komasaufen kann man dabei nicht. Es kommt auf das rechte Maß an.
Mit freundlichen Grüßen
Heinrich Tischner