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Monatsspruch August 2012 – Gott heilt, die zerbrochenen Herzens sind, und verbindet ihre Wunden. (Psalm 147,3)

Erschienen in Neues aus den Ortsvereinen von Heinrich Tischner 2 August, 2012

Liebe Leserin, lieber Leser,

an gebrochenem Herzen sind schon viele gestorben. Kann man so etwas heilen? Kann Gott so etwas heilen? Ja, werdet ihr sagen: Rechtzeitig, bevor es ganz kaputt ist.

Der Psalm behandelt aber keine medizinischen und psychologischen Fragen, sondern preist die Größe des Allmächtigen mit all seinen wunderbaren Möglichkeiten, die er hat. Das wird an einigen Beispielen gezeigt: Er zählt die Sterne und nennt sie alle mit Namen. Er sorgt für seine Geschöpfe, lässt es regnen und Gras wachsen für das Vieh und füttert auch die jungen Raben. Er tut manchmal zu viel des Guten, sendet Hagel ("Schloßen") und Schnee und lässt den Schnee wieder tauen.

Gottes Wirken in der Natur wird aber nur flüchtig skizziert, wunderlich vermengt mit dem Schicksal Israels: Er hat seinem Volk nach Zusammenbruch und Deportation einen neuen Anfang geschenkt. Wer wollte, durfte wieder zurück ins Heilige Land und mithelfen, dass Jerusalem wieder aufgebaut wurde. Das ist das eigentliche Thema. Die "zerbrochenen Herzen", das sind keine Einzelschicksale. Die Elenden, die wieder aufgerichtet werden, sind keine Einzelpersonen. Da geht es ums Überleben eines ganzen Volkes, seiner Kultur und seiner Religion. Alles was ihm wichtig war, das eigene Land und der eigene Staat wurde ihm genommen. Das religiöse "Herz", der Tempel lag in Trümmern. Tod an gebrochenem Herzen!

Wenn Israel trotzdem als Volk, Kultur und Religionsgemeinschaft Jahrtausende überlebt hat, dann deshalb, weil es gelernt hat ohne all das auszukommen. Denn der Glaube braucht keinen eigenen Staat, kein eigenes Land und kein religiöses Zentrum.

Gottes Weg war ein anderer, und das wissen wir mit den Juden schon seit 2500 Jahren und wird auch am Ende des Psalms ausgedrückt: "Er verkündigt Jakob sein Wort, Israel seine Gebote und sein Recht." Die Verschleppten haben in Babylonien begriffen, dass sie von diesem Wort leben. Ihre Religion besteht darin, dass sie daran festhalten und sich nicht nur an den Hauptfeiertagen damit beschäftigen, sondern wöchentlich, sogar täglich: "und sinnt über seinem Gesetz Tag und Nacht." (Psalm 1,2).

Das haben wir Nichtjuden, Christen wie Muslime, von den Juden gelernt: Angelpunkt unsres Glaubens ist das geschriebene "Wort Gottes" - egal ob mit oder ohne Ergänzungsband, egal ob Original oder Neuauflage. Ich als evangelischer Christ bin stolz darauf.

Es gibt allerdings leider nichts, was nicht entgleisen und missbraucht werden könnte. Schon in den ältesten Teilen der Bibel ist von religiösen Eiferern die Rede, die für die Reinheit ihres Glaubens über Leichen gegangen sind, wie Mose, der mit beispielloser Grausamkeit die Anbetung des Goldnen Kalbes bestraft (Exodus 32,28). Kritiker unsres Glaubens brandmarken heute die Verfehlungen "der" Kirche mit ihren Kreuzzügen und Inquisition und beschwören die Millionen von Toten, die dabei umgekommen sein sollen - wer hat sie so genau gezählt? Dasselbe kann man auch dem atheistischen Marxismus vorwerfen. Aber lassen wir das und halten wir uns an Jesus, der uns verboten hat, die Splitter in den Augen anderer Menschen zu kritisieren. Wir haben ja selbst Balken im Auge.

Es ist erstaunlich, dass es möglich ist, mit solchen Fremdkörpern in unsern Sehorganen zu leben. Gebrochene Herzen fangen doch mit solchen Kleinigkeiten an: Kritik anderer oder eigene Einsicht in unsre Fehler, unser Versagen, unsre Unfähigkeit. Kränkende, herabsetzende Worte. Demütigungen ("Mobbing"). Isolation. Verlust von etwas, was uns wichtig war. Wir müssen daran nicht zerbrechen, denn "Gott heilt und verbindet Wunden". Unser Glaube gibt uns dazu die innere Kraft. Und die wünsche ich euch.

Mit freundlichen Grüßen

Heinrich Tischner