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Monatsspruch November 2012 – Wir sind der Tempel des lebendigen Gottes. (2. Korinther 6,16)

Erschienen in Neues aus den Ortsvereinen von Heinrich Tischner 31 Oktober, 2012

Liebe Leserin, lieber Leser,

wenn ich dieses Bibelwort in mein Leben umsetzen wollte, müsste ich meinen Website und meine Email-Adresse abmelden und mir eine neue Telefonnummer geben lassen, die ich nur noch Gläubigen verrate. Meine meisten Kontakte in den letzten zehn Jahren waren aber Gleichgültige, Zweifler, bekennende Atheisten und zwar gläubige, aber katholische Christen.

Ihr werdet mich fragen: Wie kommst du denn darauf und was hat das mit dem Tempel des lebendigen Gottes zu tun? Na, da lest mal auch die umgebenden Verse 16,14-17,1. Da fordert uns Paulus auf: "Zieht nicht mit den Ungläubigen am selben Strang, brecht alle Kontakte mit ihnen ab und lasst euch nicht von ihnen verunreinigen." Und warum? Weil wir "Tempel des lebendigen Gottes" sind. Ganz schön arrogant, oder?

Paulus hatte diese beiden Stichworte "Kontakt abbrechen" und "Tempel Gottes" schon im 1. Korintherbrief behandelt: 5,9-13 nimmt er Bezug auf ein früheres Schreiben, in dem er gefordert hatte, nichts zu schaffen zu haben mit Unzüchtigen. Das hatte man so verstanden, als solle man sich von Götzendienern fern halten, die grundsätzlich als unanständig galten. Paulus stellt richtig: nicht mit sündhaften Heiden, sondern mit Gemeindegliedern, die sich nicht benehmen können. Kontakte mit Ungläubigen lassen sich nicht vermeiden, "sonst müssten wir die Welt räumen."

Die Forderung in 2. Korinther, sich von Andersgläubigen abzusondern, passt nicht dazu; dann hätte Paulus ja die Heidenmission aufgeben müssen und dann hätte sich sogar Jesus falsch verhalten, als er sich mit verachteten Menschen an einen Tisch setzte.

1. Korinther 3,16 und 6,19 zitiert Paulus einen urchristlichen Glaubenssatz: "Eure Leiber sind Tempel Gottes bzw. des Heiligen Geistes" und zieht daraus die Folgerung: Damit seid ihr selbst heilig, also verhaltet euch so, dass ihr Gott nicht blamiert, und vor allem: Meidet die Prostitution. Besuch bei Prostituierten aber hielten einige "fortschrittliche" Christen für unerlässlich, um von ihrer christlichen Freiheit Gebrauch zu machen.

Überholte Moralvorschriften, sagt man heute. Die Kirche hat Wichtigeres zu tun als Moral zu predigen. Obwohl es ja viele gute Gründe gibt, die gegen Hurerei sprechen, nicht nur die Aidsgefahr, sondern auch der gewissenlose Menschenhandel, der dahinter steht. Schon schlimm genug, wenn man abgezockt oder beklaut wird. Muss man diesen Halunken auch noch freiwillig Geld in den Rachen werfen?

Ich denke aber grundsätzlich anders, nicht "ich darf nicht", sondern "ich kann nicht". Meine Ehe begründet sich auf Liebe, Treue und Verlässlichkeit. Das will ich auf keinen Fall gefährden. Es kann für mich bloß die Eine geben.

Und weiter: "Wir sind der Tempel Gottes", oder Gott wohnt in uns: Das kann ich nur so verstehen, dass ich mich von der Liebe Gottes erfüllen lassen. Darum kann ich nicht über andere lästern, auch nicht einstimmen in Hasstiraden gegen Menschen, die anders denken und anders leben, gegen Leute, die englische Fremdwörter gebrauchen oder umgekehrt die Sprache rein erhalten wollen, gegen Sauberkeitsfanatiker, die keinem Bazillus das Leben gönnen oder die von Hygiene nie was gehört haben: "Reinheit" hat immer dazu gedient, sich für besser zu halten und andere als "unrein" zu meiden. Ist das christlich?

Mit freundlichen Grüßen

Heinrich Tischner