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Monatsspruch September 2010 – Ein Mensch, der da isst und trinkt und hat guten Mut bei all seinem Mühen, das ist eine Gabe Gottes. (Prediger 3,13)

Erschienen in Neues aus den Ortsvereinen von Heinrich Tischner 30 August, 2010

Liebe Leserin, lieber Leser,

"freut euch des Lebens, weil noch das Lämpchen (Lebenslicht) glüht. Pflücket die Rose, eh sie verblüht." Das ist die eine Botschaft des "Predigers". Die andere lautet: "Es ist alles nichtig." Mit dieser hoffnungslosen Aussage beginnt das Buch. "Das Leben ist sinnlos (1,2), unser Mühen und Streben umsonst. Lebensfreude und Arbeit, ja selbst das Streben nach Weisheit ist vergeblich. Der Mensch stirbt wie ein Tier. Es gibt kein Leben nach dem Tod (3,19-21). Es geht den Bösen wie den Guten; unser Schicksal ist nicht von unserm Verhalten abhängig (9,2). So bleibt uns nichts anderes, als das Leben zu genießen, solange es möglich ist."

Der Prediger hält bei all seinen trübseligen Gedanken an Gott fest. Das sehen wir schon im Monatsspruch: "Das ist eine gute Gabe Gottes", wenn wir bei all unsern Mühen guten Mutes sind und fröhlich essen und trinken können. Dem scheint zu widersprechen, dass auch das Streben nach Genuss "nichtig ist und Haschen nach Wind" (2,1-11). Der "Prediger" redet wie ein alter Mann, der des Lebens überdrüssig ist. Daher mach ihm auch die Freude keinen Spaß mehr. Er bläst nur noch Trübsal.

Nein, so kann man nicht reden, das hilft keinem Menschen. Daher rafft er sich zu einem neuen Anlauf auf: Ein Luxusleben führen und Vergnügen nachlaufen, wie er es getan hat, von Party zu Party rennen und den Rausch suchen, das bringt wirklich nichts. Aber es gibt Freuden, die kommen ungesucht, die schenkt uns Gott, die dürfen wir dankbar genießen (2,24-26). So wie alles seine Zeit hat (3,1-11), so hat auch die Lebensfreude ihre Zeit (2,12-15).

Die Ermutigung zur Freude zieht sich wie ein roter Faden durch die folgenden Kapitel. Krönender Abschluss ist die Ermahnung: "Freue dich deiner Jugend" (11,9-10), die in merkwürdigem Kontrast steht zu 12,1-7: "Gedenke des Schöpfers in deiner Jugend, ehe die Tage kommen, die dir nicht gefallen." Die Beschwerden des Alters werden mit köstlichen Bildern beschrieben: Die Beine krümmen sich, die Zähne fallen aus, man hört nicht mehr gut, das Treppensteigen fällt einem schwer und dann tut gar nichts mehr. Der Leib zerfällt und der Geist kehrt zu Gott zurück, von dem er gekommen ist – die Fortsetzung von der Erschaffung des Menschen (Gen 2.)

Der "Prediger" hat also mehr zu bieten als eine Mischung von Null-Bock und Spaßkultur.

Was sollen wir als Christen von diesem Buch halten? Hat nicht auch Paulus zur Freude aufgerufen (Philiper 4,4 "Freuet euch in dem Herrn allewege")? War nicht auch Jesus den irdischen Freuden nicht abgeneigt und wurde deshalb als "Fresser und Weinsäufer" beschimpft (Matthäus 11,19 = Lukas 7,34)? Dann also grünes Licht für die Lebensfreude – man muss es ja nicht übertreiben?

Dann aber hätten wir den "Prediger" und Jesus und Paulus gründlich missverstanden. Denn der reiche König Salomo mit seinen 1000 Frauen, auf den der "Prediger" sich bezieht, das war kein Playboy, sondern er hatte politische Verantwortung. Jesus war darauf angewiesen, dass er auf seinen Reisen eingeladen wurde und hat nicht "nein" gesagt, wenn ihm etwas angeboten wurde. Aber das war nicht der Sinn seines Daseins. Sein Leben bestand nicht aus Partys, sondern aus Fußmärschen mit Hunger und Durst - Predigten, die zum Widerspruch reizten – Heilungen, mit denen nicht jeder einverstanden war. Und am Ende stand das Kreuz. Und erst Paulus: Seine Missionsreisen waren keine Tourneen eines Stars, oft ist er wie ein geprügelter Hund von einer Stadt in die andere geflüchtet. Und am Ende hieß es "Kopf ab!"

Salomo, Jesus und Paulus machen uns klar, dass der Sinn des Lebens nicht die Freude, sondern die Verantwortung, die Aufgabe, die Pflicht ist. Die von Gott geschenkten Freudenstunden machen nur einen kleinen Teil unsrer Zeit aus.

Jesus hat in Lukas 10,20 von einer ganz anderen Freude gesprochen: "Freut euch, dass eure Namen im Himmel geschrieben sind." Darum wird das christliche Freudenlied nach anderen Noten gesungen als "Freut euch des Lebens", nämlich: "In dir ist Freude in allem Leide, o du süßer Jesu Christ" (Evangelisches Gesangbuch 398).

Mit freundlichen Grüßen

Heinrich Tischner