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Einführung in das Neue Testament – Teil 8

Erschienen in Neues aus den Ortsvereinen von Edwin Suckut 31 Januar, 2011

Die Apokryphen des Neuen Testamentes

Beispiele aus dem Thomasevangelium:

Logion (=Sinnspruch) 63:
"Jesus hat gesagt: Es war einmal ein reicher Mann, der viele Güter hatte. Er sagte: Ich werden meine Güter benutzen, um zu säen, um zu ernten, um zu pflanzen, um meine Speicher aufzufüllen, daß ich nichts entbehren werde. Solcher Art waren seine Gedanken in seinem Herzen. Und in derselben Nacht starb er. 0, daß doch der, der Ohren hat, höre!"

Logion 97:
"Jesus hat gesagt: Das Reich des Vaters ist gleich einer Frau, die ein Gefäß voller Mehl trägt, wobei sie auf einem entfernten Wege geht. Der Henkel des Gefäßes ist zerbrochen, das Mehl hat sich zerstreut hinter ihr auf dem Weg. Sie bemerkte es nicht, und sie wußte nichts von dem Unfall, als sie in ihrem Hause ankam: sie stellte das Gefäß auf die Erde, und sie fand es leer."

Natürlich hat sich auch

die Legende

der Geschichte Jesu bemächtigt und vor allem dort ein reiches Betätigungsfeld gefunden, wo die neutestamentlichen Schriften schweigen.

Die kanonisierten Evangelien berichten sehr wenig von der Kindheit Jesu. Hier setzen die gnostischen Kindheitsevangelien ein. Man nennt sie allgemein auch

"Gnostische Legenden".

Hier ein Beispiel aus den "Kindheitserzählungen des Thomas":
"Ich, Thomas, der Israelit, verkündige und mache euch allen, ihr Brüder aus den Heiden, all die Kindheits- und Großtaten unseres Herrn Jesus Christus bekannt, die er in unserem Lande, wo er geboren wurde, vollbrachte. Folgendermaßen fing er an. Als der Knabe Jesus fünf Jahre alt geworden war, spielte er an einer Furt eines Baches; das vorüber fließende Wasser leitete er in Gruben zusammen und machte es sofort rein, mit dem bloßen Wort gebot er ihm.
Er bereitete sich weichen Lehm und bildete daraus zwölf Sperlinge. Es war Sabbat, als er dies tat. Auch viele andere Kinder spielten mit ihm. Als nun ein Jude sah, was Jesus am Sabbat beim Spielen tat, ging er sogleich weg und meldete dessen Vater Joseph: 'Siehe, dein Knabe ist am Bach, er hat Lehm genommen, zwölf Vögel gebildet und hat den Sabbat entweiht.' Als nun Joseph an den Ort gekommen war und (es) gesehen hatte, da herrschte er ihn an: 'Weshalb tust du das am Sabbat, was man nicht tun darf?' Jesus aber klatschte in die Hände und rief den Sperlingen zu: 'Fort mit euch!' Die Sperlinge öffneten ihre Flügel und flogen mit Geschrei davon. Als aber die Juden das sahen, staunten sie, gingen weg und erzählten ihren Ältesten, was sie Jesus hatten tun sehen."

Sonstige apokryphe Schriften

1. Apostelgeschichten

Die Apostelgeschichte des Lukas berichtet eigentlich nur über die Taten des Petrus und des Paulus sowie einiges von Johannes, Jakobus und Philippus; von den Taten der übrigen Apostel finden wir nichts im ganzen Neuen Testament. Die Apokryphen versuchen diesem Mangel abzuhelfen, indem sie zusätzliche Apostelgeschichten des Petrus, Paulus, Johannes, Andreas und Thomas überliefern. Dabei mögen die Apokryphen in dem einen oder anderen Fall durchaus auf zuverlässige außerbiblische Quellen zurückgreifen können, so besonders das, was die Märtyrertode der Apostel anbetrifft.

Das meiste in ihnen ist allerdings unglaubwürdige Legende.

2. Briefe

Die Kirche hat sehr früh einige Briefe, die unter dem Namen von Aposteln im Umlauf waren, als Fälschungen erkannt und nicht in das Neue Testament aufgenommen, so zum Beispiel einen angeblichen Brief des Paulus an die Laodicener (das war die urchristliche Gemeinde in Kleinasien) oder einen Briefwechsel des Paulus mit dem römischen Philosophen Seneca und verschiedene Predigten, die Paulus oder Petrus zugeschrieben wurden.

3. Offenbarungen

Sowohl im Judentum als auch im Christentum ist uns eine ganze Fülle von Schriften überliefert, die sich alle mit einer Deutung der Weltgeschichte und dem Ende der Welt beschäftigen. Von ihnen sind nur das Buch Daniel im Alten Testament und die Offenbarung des Johannes im Neuen Testament in die Bibel aufgenommen worden.
Wir fragen uns heute, wie es der jungen Kirche gelungen ist, aus einer fast unübersehbaren Fülle von Schriften, die in zwei Jahrhunderten entstanden sind, diejenigen herauszufinden, die auch nach heutigem Urteil als die ältesten und besten anzusehen sind.

Vor allem müssen wir in diesem komplizierten Sichtungs- und Aussonderungsprozess das Wirken des Heiligen Geistes sehen. Anders lässt sich nicht verstehen, wie die echten und wertvollen Überlieferungen von Jesus durch die junge Kirche vor einer Verwilderung bewahrt und geschützt werden konnten. Man ist bei diesem Aussonderungsprozess ja sehr wahrscheinlich noch nicht, wie heute üblich, von sprachlichen und literarischen Grundsätzen ausgegangen, sondern allein von inhaltlichen.

Als echt beziehungsweise kanonisch anerkannt wurden nur solche Schriften, die in ihrer theologischen Aussage mit dem übereinstimmten, was man als die rechte Lehre erkannt hatte.

Übersicht über die Schriften der Apostolischen Väter

Diese Bücher und Schriften boten von ihrem Inhalt her keinen Grund zur Beanstandung, trotzdem wurden sie nicht in das Neue Testament aufgenommen. Ihre Verfasser waren so ehrlich, unter ihrem eigenen Namen zu schreiben und nicht unter dem Namen eines der Apostel.

Zu nennen sind hier:

1. Der Brief des Clemens von Rom an die Korinther

Clemens war zwischen 90 und 100 nach Christus Bischof von Rom. Er hält sich aber in seinem Brief bescheiden im Hintergrund.
Von dem Brief gibt es keine Handschriften oder dergleichen mehr. Er ist uns nur durch andere christliche Schriftsteller bekannt.
Der Anlass des Clemens-Briefes waren Streitigkeiten in der korinthischen Gemeinde. Clemens wollte schlichten helfen und beitragen zu einem besseren Verständnis dem römischen Staat gegenüber.

2. Die sieben Briefe des Ignatius von Antiochien (sogenannte Ignatianen)

an verschiedene Gemeinden: Ephesus, Magnesia, Tralles, Rom, Philadelphia und an Polykarp, den Bischof von Smyrna. Ignatius hatte die sieben Briefe auf seiner Reise nach Rom geschrieben. Sie enthalten Ermahnungen zu einem christlichen Leben und Warnungen vor Irrlehren. Er starb 117 n. Chr. den Märtyrertod.

"Eine eigenartige religiöse Gedankenwelt repräsentieren die Ignatianen. Gottesbegriff und Heilsbegriff tragen eine naturhafte, mystische Färbung; die Erlösung wird nicht ethisch, sondern physisch gefasst (Erlösung aus dem Todesverhältnis); die Sündenvergebung tritt völlig zurück. Die Gottheit ist als eine Art Substanz gedacht, mit der man verschmelzen kann; das Heilsgut wird durch Einwohnung Gottes in den Gläubigen erlangt…
Diese religiösen Begriffe sind in den Rahmen einer christozentrischen Heilsgeschichte eingefügt: die Menschheit vor Christus ist dem Tode verfallen; Christus wird der Begründer einer neuen Menschheit" (Karl Heussi).

3. Die beiden Briefe des Polykarp an die Philipper

Polykarp war ein Schüler des Apostels Johannes gewesen. Er starb 155 nach Christus auch den Märtyrertod.

4. Die Zwölfapostellehre (Didaché)

Sie ist zwischen 80 und 100 nach Christus entstanden und stellt eine Art Katechismus dar, also ein Lehrbuch in Frage und Antwort. Sie ist zugleich auch eine Kirchenordnung mit sittlichen Geboten und kultischen Vorschriften über die Taufe, das Fasten, das Gebet und mit Vorschriften über das Gemeindeleben: Aufnahme von Wanderpredigern, Gemeindepropheten, Lehrern, der Wahlen von Gemeindeleitern (etwa den heutigen Kirchenvorstehern gleichzusetzen) und Diakonen. Die Gemeindeleiter (Presbyter) vertraten den Bischof (Gemeindepfarrer) im Gottesdienst und im Lehramt.
Auch zu Schriften von den Apostelschülern gibt es noch eine Fülle unechten Materials. Sie wurden beispielsweise unter den Namen des Clemens, Ignatius oder Polykarps veröffentlicht, stammen jedoch nicht von ihnen.

Edwin Suckut

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