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Monatsspruch März 2012 – Der Menschensohn ist nicht gekommen, um sich dienen zu lassen, sondern um zu dienen und sein Leben hinzugeben als Lösegeld für viele. (Markus 10,45)

Erschienen in Neues aus den Ortsvereinen von Heinrich Tischner 1 März, 2012

Liebe Leserin, lieber Leser,

in den Evangelien wird erzählt, wie zwei Jünger so unverschämt sind, die zwei besten Plätze für sich zu beanspruchen, wenn Jesus König geworden ist. Sie glauben: Jesus will König werden. Dazu braucht er Minister, und es scheint auch klar zu sein, wer die Ministersessel bekommt: natürlich die Jünger. Aber unter den Ministern gibt's ja auch noch Unterschiede. Die direkt neben dem König sitzen, haben mehr zu sagen als die anderen. Zum Beispiel der Ministerpräsident und der Kanzler. Diese zwei Posten beanspruchen Jakobus und Johannes für sich.

Jesus nimmt das zum Anlass, grundsätzlich etwas zu diesem Thema zu sagen: In meinem Reich gibt es keine Herrscher, sondern nur Diener. Im lateinischen Bibeltext kommt sogar das Wort minister 'Diener' vor: "Wer der größte unter euch sein will, soll euer Minister sein."

Schon im Altertum hat man die führenden Persönlichkeiten im Staat "Minister" genannt. Der preußische König Friedrich II. soll gesagt haben: "Ich bin der erste Diener meines Staates". Als Diener des Staates verstehen sich unsre Minister heute noch. Das heißt: Sie sind nicht die Obersten, aber doch die Zweitgrößten. Ihre Aufgabe besteht darin zu herrschen oder, wie wir heute sagen: zu regieren. Jesus ist da anderer Meinung: Die Minister in seinem Reich sind die Zweiten von unten. Sie dienen nicht Jesus oder dem Reich Gottes, sondern sie sind die Diener aller anderen. Sie haben nicht Teil an der Macht, am Geld und am Ansehen, sondern sie rackern sich ab für die anderen und die Allgemeinheit und tragen die Verantwortung.

So geht es auch uns, wenn wir als Mitarbeiter in Kirche und CVJM, so ist es mir als Pfarrer gegangen: Ich habe nicht für die Kirchenleitung gearbeitet, sondern für die Menschen, die Gemeinde und den CVJM, und das Schönste für mich ist heute noch, dass ich dabei dem dienen darf, der sich den allerniedrigsten Diener von uns allen genannt hat, wie Jesus beispielhaft gezeigt hat bei er Fußwaschung (Johannes 13).

Ein ganzer kirchlicher Arbeitszweig nennt sich "Dienst", die Diakonie, ein Stichwort, das auch im griechischen Text des Monatsspruchs vorkommt. Sie kümmert sich um Menschen, die sich selbst nicht helfen können, und ist sich bewusst, dass das zugleich auch ein Dienst an Christus ist (Matthäus 25,40: "Was ihr getan habt einem von diesen meinen geringsten Brüdern, das habt ihr mir getan.").

Eine Art Dienst ist auch der Gottesdienst. Herkömmlich verstehen wir darunter einen "Dienst für Gott", so wie die Minister Diener des Staates sind. Jesus macht uns klar, dass dieses Verständnis falsch ist. Gott will sich nicht von uns bedienen lassen, sondern er will uns dienen. Wir dürfen vor ihm unsere Sorgen abladen. Nicht wir müssen unser Bündelchen tragen, sondern Gott trägt uns samt unserer Last. Er berät uns durch sein Wort und zeigt uns den Weg durch unser Leben. Er ist für uns da.

Ich finde es schön diesem Herrn dienen zu dürfen, indem ich anderen diene. Nicht immer aber ist dieser Dienst leicht. Das zeigt die Ballade "Die Füße im Feuer" von Conrad Ferdinand Meyer: Ein Bote des französischen Königs auf Reisen bittet um Unterkunft und wird gastlich aufgenommen. Gastgeber und Gast schwitzen Blut und Wasser, denn der Bote hatte vor drei Jahren bei einer Hugenottenjagd die Frau des Hausherrn zu Tode gefoltert. Am nächsten Morgen begleitet der Witwer den Mörder ein Stück auf seinem Weg. »Der Reiter lauert aus den Augenwinkeln: "Herr, Ihr seid ein kluger Mann und voll Besonnenheit und wisst, dass ich dem größten König eigen bin. Lebt wohl. Auf Nimmerwiedersehn!" Der andre spricht: "Du sagst's! dem größten König eigen! Heut ward sein Dienst mir schwer. Gemordet hast du teuflisch mir mein Weib! Und lebst! Mein ist die Rache, redet Gott."« Der Dienst für den größten König erfordert also Selbstdisziplin, Selbstüberwindung oder biblisch: Selbstverleugnung. Das hat schon der chinesische Philosoph Laozi 600 Jahre vor Jesus gepredigt: »Wer andere besiegt, ist kräftig. Wer sich selbst besiegt, ist stark.«

Mit freundlichen Grüßen

Heinrich Tischner